Alpha-Liponsäure – eine Fettsäure gegen Diabetes?

Stand:
Alpha-Liponsäure wird sowohl als Nahrungsergänzungsmittel als auch als Arzneimittel verkauft. Kann eine Einnahme bei Diabetes oder anderen Erkrankungen sinnvoll sein? Und worauf sollte man bei der Einnahme achten?
Tablettenkapseln liegen auf einem Tisch, daneben eine geschlossene Pillendose

Das Wichtigste in Kürze:

  • Alpha-Liponsäure (ALA) ist eine schwefelhaltige Fettsäure, die eine wichtige Rolle im Energiestoffwechsel spielt. Sie kann vom menschlichen Körper selbst herstellt werden. Mangelzustände für ALA sind nicht bekannt.
  • ALA ist in verschiedenen Lebensmitteln wie Gemüse, Fleisch und Innereien enthalten.
  • Es gibt keine zugelassenen gesundheitsbezogenen Werbeaussagen für ALA.
  • Insbesondere Menschen mit Diabetes müssen vorsichtig ein, da die Einnahme von ALA den Blutzucker unkontrolliert senken kann. - Wechselwirkungen mit Medikamenten sind möglich.
  • Eine Einnahme sollte nur nach ärztlicher Rücksprache und unter regelmäßiger Laborkontrolle stattfinden.
On

Was steckt hinter der Werbung zu Alpha-Liponsäure? 

Gesundheitsbezogene Aussagen, sogenannte Health Claims, sind für Alpha-Liponsäure (ALA) nicht zugelassen. Trotzdem werben Hersteller solcher Nahrungsergänzungsmittel im Netz mit einer ganzen Bandbreite vermeintlicher Gesundheitsvorteile. Demnach sollen Alpha-Liponsäure-Produkte 

  • entzündungshemmend wirken,
  • den Blutzucker besser regulieren helfen,
  • freie Radikale bekämpfen und auch noch
  • vor Lebererkrankungen, Herzinfarkt und Schlaganfall schützen.
  • Außerdem sollen sie in der Adipositastherapie unterstützen und bei Krebsleiden helfen. 

Allerdings konnten in einer Meta-Analyse bei übergewichtigen oder fettleibigen Erwachsenen keine signifikanten Zusammenhänge zwischen der ALA-Aufnahme und Krankheitsmarkern wie Triglyceride, Cholesterin oder Nüchternblutzucker festgestellt werden. Auch wenn ALA möglicherweise positiv bei Krebserkrankungen wirkt, sollte sie wegen der vielschichtigen Einflüsse nur im Rahmen der ärztlichen Therapie eingesetzt werden.

Für Gesunde

Gesunde Menschen haben keine gesundheitlichen Vorteile, wenn sie zusätzlich ALA aufnehmen: 2010 untersuchte die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) gesundheitsbezogene Aussagen, sogenannte "Health Claims", zur Wirkung von ALA. Das Gremium konnte keinen Zusammenhang zwischen der Einnahme von ALA und verschiedenen Gesundheitsparametern herstellen. Dazu gehörten unter anderem:

  • der Schutz der Körperfette vor oxidativen Schäden,
  • die Aufrechterhaltung normaler Cholesterinkonzentrationen im Blut,
  • erhöhte Beta-Oxidation von Fettsäuren, die zu einer Verringerung der Körperfettmasse führt, sowie
  • die langfristige Aufrechterhaltung normaler Blutzuckerkonzentrationen. 

Nahrungsergänzungsmittel sind nicht dafür gedacht, Krankheiten zu heilen, zu lindern oder zu therapieren. Und sie dürfen keine pharmakologische Wirkung haben, sondern sollen lediglich fehlende Bausteine im Essen ersetzen. ALA ist nach derzeitigem Wissensstand für gesunde Erwachsene weder sinnvoll oder nützlich. 

Wichtig ist auf jeden Fall, dass es nicht zu unerwünschten Wirkungen kommt und Wechselwirkungen mit Medikamenten vermieden werden.

 

Für Kranke

Bei Diabetes 

Besonders häufig liest man, dass ALA Nervenschmerzen, medizinisch Neuropathien genannt, lindert. Aktuell ist ALA als Arzneimittel zur Symptombehandlung von diabetischer Polyneuropathie zugelassen. Diese Nervenschädigung entsteht, wenn der Blutzuckerspiegel über viele Jahre deutlich erhöht ist. Sie äußert sich durch Brennen und Schmerzen sowie Gefühlsstörungen in Armen und Beinen. 

Es gibt zwar einige Hinweise darauf, dass ALA Schmerzen reduzieren, Empfehlungen zur Behandlungsdauer, Darreichungsform und Dosis fehlen jedoch. Für die Behandlung und Einstellung eines Diabetes scheint ALA keine wirklichen Vorteile zu bieten. Es wird aber auch von schweren Nebenwirkungen bei Menschen mit Diabetes berichtet.

Bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen 

Wissenschaftliche Berichte mit positiven Effekten von ALA beziehen sich auf Erkrankte: Demnach kann sich die Einnahme von ALA vorteilhaft auf die Zusammensetzung der Blutfette auswirken. Die Wirkung ist allerdings dosis- und einnahmedauerabhängig. Untersuchungen zeigen, dass ALA Entzündungsparameter senken kann. Chronische Entzündungen wiederum können Krebsleiden, Schlaganfälle und Diabetes begünstigen. 

Es gibt außerdem Hinweise darauf, dass ALA bei der Gewichtsreduktion bei Übergewicht oder Adipositas helfen kann. Allerdings fehlen ausreichend belastbare Daten. 

Die Behandlung mit mehr als 800 Milligramm ALA pro Tag über mindestens zwölf Wochen führte bei Menschen in einigen Untersuchungen zudem zu einer signifikanten Blutdrucksenkung. Derartige Therapien gehören auf jeden Fall in ärztliche Hand.
 

Worauf sollte ich bei der Verwendung von Alpha-Liponsäure achten?

  •  Seien Sie sich der Risiken durch ALA in Nahrungergänzungsmitteln bewusst. Wegen der potentiellen Gesundheitsgefahr streben die europäischen Lebensmittelüberwachungsbehörden eine gesetzliche Regelung für ALA in Nahrungsergänzungsmitteln an. Ein entsprechendes Verfahren nach Artikel 8 der VO (EU) 1925/2006 wurde bereits gestartet. Verwenden Sie besser Arzneimittel - nach ärztlicher Rücksprache.
  • ALA wird meist in Kapsel- oder Tablettenform angeboten. Vom Hersteller empfohlene Dosierungen für Nahrungsergänzungsmittel liegen meist zwischen 300 und 600 Milligramm pro Tag.
  • Laut Europäischer Lebensmittelsicherheitsbehörde EFSA könnte ALA in Nahrungsergänzungsmitteln das Risiko für ein Insulinautoimmunsyndrom erhöhen. Die Autoimmunkrankheit äußert sich durch plötzliche starke Unterzuckerung, bedingt durch einen zu hohen Insulinspiegel. Das betrifft Menschen mit bestimmter genetischer Veranlagung, aber auch Diabetiker:innen. Eine sichere Dosis gibt es laut EFSA nicht.
  • Sie sollten ALA ohne ärztliche Rücksprache nicht in der Schwangerschaft oder beim Stillen einnehmen. Außerdem ist es für Kinder und Jugendliche nicht geeignet - es wird von Vergiftungen schon bei niedrigen Dosierungen berichtet.
  • Lebensmittel, die reich an Calcium, Eisen und Magnesium sind, können ALA binden. Es steht dann im Körper nicht mehr zur Verfügung. Daher sollten Sie ALA mit einem deutlichen zeitlichen Abstand von mehreren Stunden vor einer Mahlzeit einnehmen. Das gilt auch für calciumhaltige Mineralwasser, Milch und Milchprodukte. Eine hohe ALA-Zufuhr kann die Aufnahme des Vitamins Biotin hemmen. Das geht bis hin zu einem Mangel.
  • In Einzelfällen wurden schwerwiegende Gesundheitsprobleme wie Herzrhythmusstörungen und myokardiale Störungen wie Angina pectoris und Herzinfarkt sowie Anzeichen einer Leberschädigung beobachtet, wenn regelmäßig Dosen ab 600 Milligramm pro Tag eingenommen wurden. Das galt vor allem bei Diabetiker:innen mit Polyneuropathien sowie Menschen mit Herz- oder Lebererkrankungen. Die Verbraucherzentralen raten daher, Alpha-Liponsäure nur nach einer ärztlichen Beratung zu nutzen. 

Generell scheint sich die Aufnahmefähigkeit für verschiedene ALA-Präparate sehr zu unterscheiden, besser verfügbar für den Körper sind flüssige ALA-Präparate. Natürlicherweise ist ALA in Gemüse wie Spinat, Brokkoli und Tomaten, außerdem in Fleisch und Innereien enthalten.

Als unerwünschte Wirkungen bei der Einnahme von ALA können Schwindel, Kopfschmerzen und häufig Magen-Darm-Beschwerden wie Bauchschmerzen, Übelkeit und Erbrechen auftreten. Darüber hinaus sind allergische Reaktionen und Geschmacksstörungen möglich.

Wechselwirkungen von ALA mit Medikamenten sind möglich. ALA kann die Wirkung blutzuckersenkender Medikamente verstärken und die von Krebsmedikamenten beeinflussen. Möglicherweise wird die Wirkung von Schilddrüsenhormonen verändert.

Was ist Alpha-Liponsäure? 

Alpha-Liponsäure, auch Thioctsäure genannt, ist eine schwefelhaltige Fettsäure. Im Körper ist sie als Bestandteil von Enzymen am Energiestoffwechsel beteiligt. Sie wird vom Körper selbst hergestellt, spezifische Mangelzustände sind nicht bekannt. 

Als starkes Antioxidans übernimmt sie als sogenannter Radikalfänger das "Recycling" von verbrauchten Antioxidantien wie Vitamin C. Bei industriell produzierten ALA-Präparaten handelt es sich meist um sogenannte razemische Gemische, die unterschiedlich gut aufgenommen werden. R(+)-ALA etwa wird vom Körper besser aufgenommen als die S(-)-Form. Es ist unklar, ob sich die für Nahrungsergänzungsmittel verwendete ALA-Form von der für Arzneimittel unterscheidet. Auf vielen Nahrungsergänzungsmitteln finden sich Hinweise auf die verwendete Form.


Quellen:

Förderlogo BMJV