Mehr drin als nötig: Nahrungsergänzung rund um die Schwangerschaft
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Das Angebot von Nahrungsergänzungsmitteln für Schwangere, Stillende und Menschen mit Kinderwunsch ist riesig. Es gibt Produkte mit zahlreichen Vitaminen, Mineralstoffen und Omega-3-Fettsäuren in verschiedensten Zusammensetzungen – auch für Männer. Welche Nahrungsergänzung ist wirklich sinnvoll?
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Empfehlungen zur Nahrungsergänzung bei Kinderwunsch, in der Schwangerschaft und Stillzeit
Schwangeren wird empfohlen, 400 Mikrogramm Folsäure und 100 bis 150 Mikrogramm Jod pro Tag über Tabletten oder Kapseln zu ergänzen. Stillenden wird empfohlen, 100 Mikrogramm Jod pro Tag zu ergänzen. Denn diese Nährstoffe können über die normale Ernährung nur schwer oder nicht ausreichend aufgenommen werden. Es können sowohl Arzneimittel als auch Nahrungsergänzungsmittel verwendet werden.
Bei Folsäure ist es wichtig, dass Frauen bereits bei Kinderwunsch mit der Einnahme beginnen und sie bis zum Ende des ersten Schwangerschaftsdrittels fortsetzen. Frauen, die erst später als 4 Wochen vor der Befruchtung der Eizelle zusätzlich Folsäure einnehmen, sollten Produkte mit 800 Mikrogramm Folsäure verwenden. Für Männer mit Kinderwunsch gibt es derzeit keine allgemeinen Empfehlungen, bestimmte Nährstoffe zu ergänzen.
Jod sollte während der gesamten Schwangerschaft und auch während der Stillzeit ergänzt werden, Schwangere und Stillende mit Schilddrüsenerkrankungen sollten die passende Jodzufuhr zuerst mit ihrer Ärztin oder ihrem Arzt besprechen. Einige Produkte gibt es sowohl mit als auch ohne Jod.
Ob zusätzlich eine Ergänzung von Eisen notwendig ist, kann über bestimmte Blutwerte festgestellt werden. Bei den Vorsorgeuntersuchungen während der Schwangerschaft wird der Eisenwert regelmäßig überprüft. Auch nach der Geburt werden die Blutwerte der Mutter untersucht. Wird eine Unterversorgung oder ein Mangel festgestellt, können gemeinsam mit der Ärztin oder dem Arzt geeignete Maßnahmen besprochen werden.
Alle übrigen Vitamine und Mineralstoffe können auch in der Schwangerschaft über eine ausgewogene und abwechslungsreiche Ernährung mit herkömmlichen Lebensmitteln ausreichend aufgenommen werden.
Das gilt auch für Docosahexaensäure (DHA). Diese spielt für die Entwicklung von Gehirn, Nerven und Auge des Kindes eine entscheidende Rolle. Der Bedarf von 200 Milligramm am Tag lässt sich mit ein bis zwei Fischmahlzeiten pro Woche (davon mindestens einmal fettreicher Meeresfisch wie Lachs, Makrele, Hering oder Sardine) gut decken. Schwangere, die selten oder keinen fettreichen Meeresfisch essen, können täglich 200 Mikrogramm DHA über Kapseln oder spezielles Öl aufnehmen.
Wichtig ist auch eine ausreichende Versorgung mit Vitamin D. Über die Ernährung wird nur wenig Vitamin D aufgenommen. Doch durch Sonnenstrahlung auf die Haut bildet der Körper selbst Vitamin D. Nur wenn diese eigene Vitamin-D-Bildung im Körper nicht ausreicht, sollten täglich 20 Mikrogramm Vitamin D ergänzt werden. Diese Empfehlung gilt für alle, unabhängig von Kinderwunsch, Schwangerschaft oder Stillzeit. Insbesondere bei Menschen, die sich nur selten draußen aufhalten, ihren Körper das ganze Jahr über vollständig mit Kleidung bedecken oder dunkle Haut haben, kann die Vitamin-D-Versorgung über die Haut nicht ausreichen. Auch der Vitamin-D-Status kann im Blut ärztlich überprüft werden.
3 Schritte zum passenden Nahrungsergänzungsmittel
1. Kläre deinen Nährstoffbedarf
Eine Nahrungsergänzung mit allen möglichen Vitaminen und Mineralstoffen nach dem Motto „viel hilft viel“ ist nicht sinnvoll. Kläre deswegen zuerst mit der behandelnden Ärztin oder dem Arzt ab, welche zusätzlichen Nährstoffe du brauchst.
Wenn du unsicher bist, ob du dich ausgewogen ernährst, kann eine professionelle Ernährungsberatung helfen: Da lernst du, Lebensmittel bewusst so auszuwählen, dass du mit allen wichtigen Nährstoffen gut versorgt bist.
2. Prüfe die Inhaltsstoffe
Wenn feststeht, welche Nährstoffe du mit Nahrungsergänzungsmitteln ergänzen solltest, kannst du geeignete Produkte suchen. Dabei kann auch der Produktvergleich in unserer Übersicht helfen. Achte bei der Auswahl darauf, dass die benötigten Nährstoffe in der passenden Dosierung enthalten sind. Die enthaltenen Mengen sollten die vorgeschlagenen Höchstmengen des BfR nicht überschreiten.
Ausnahme: Deine Ärztin oder dein Arzt halten bei dir höhere Mengen für erforderlich.
3. Vergleiche die Preise
Ein Preisvergleich kann eine Menge Geld sparen, denn die Preise unterschieden sich oft um ein Vielfaches. Dabei sagt der Preis allein nichts über die Qualität der Produkte aus.
Tipp: Frage auch bei deiner Krankenkasse nach, ob Kosten für Vitamine und Mineralstoffe in der Schwangerschaft erstattet werden. Es lohnt sich.
Podcast: Das Wichtigste zum Nachhören
Viel hilft nicht immer viel. Wie Sie Ihren persönlichen Nährstoffbedarf bei Kinderwunsch und in der Schwangerschaft ermitteln und ein geeignetes Nahrungsergänzungsmittel finden, erklären wir in dieser Podcast-Folge.
Online-Seminar: Nahrungsergänzungsmittel für Schwangere
Video:
Verbraucherzentrale Baden-Württemberg
Marktcheck 2021
In einem Marktcheck hat die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg 2021 erneut die Zusammensetzung und Dosierung verschiedener Produkte für Menschen mit Kinderwunsch, während der Schwangerschaft und der Stillzeit untersucht. Das Ergebnis: Noch immer gilt bei den Herstellern oft das falsche Prinzip „viel hilft viel“. Noch immer enthielt lediglich ein Produkt für Schwangere ausschließlich Folsäure und Jod, noch immer war der Jodgehalt höher als empfohlen.
Allen anderen Nahrungsergänzungsmitteln wurde neben Folsäure und Jod mindestens ein weiteres Vitamin oder ein weiterer Mineralstoff zugesetzt. Darüber hinaus überschritten die enthaltenen Mengen teilweise die empfohlenen Höchstmengen des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) für Nahrungsergänzungsmittel. Oder sie lieferten höhere Mengen, als für die gesamte Tageszufuhr einschließlich der alltäglichen Ernährung empfohlen wird. Das galt auch für Produkte, die speziell für Stillende oder Männer mit Kinderwunsch angeboten wurden. Die wichtigsten Ergebnisse zum Marktcheck 2021 haben wir im Folgenden zusammengefasst. Die Übersicht der erfassten Produkte und deren Vergleich mit den Empfehlungen stehthier zum Downloadbereit.
Eine Untersuchung von Nahrungsergänzungsmitteln für Schwangere durch die Zeitschrift Ökotest im Juli 2023 zeigt ebenfalls keine guten Ergebnisse: Von 22 getesteten Produkten enthielten gerade mal acht ein "gut", zwölf dagegen eine glatte sechs.
Die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln sollte immer zuerst mit der Ärztin oder dem Arzt besprochen werden. Es ist wichtig, zuerst abzuklären, für welche Vitamine und Mineralstoffe eine zusätzliche Zufuhr über Nahrungsergänzungsmittel überhaupt notwendig ist. Gerade die teuren Kombinationsprodukte mit zahlreichen Vitaminen und Mineralstoffen werden in Arztpraxen und Apotheken häufig stark beworben. Die Verbraucherzentrale empfiehlt, sich davon nicht verunsichern zu lassen, sondern mit einem kritischen Blick auf die Zusammensetzung Produkte zu wählen, die wirklich zum persönlichen Bedarf passen. Auch ein Preisvergleich lohnt sich, um nicht mehr Geld auszugeben, als nötig.
Hersteller überschritten Empfehlungen der Fachgesellschaften
Für den Marktcheck untersuchte die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg insgesamt 46 Produkte für Kinderwunsch, Schwangerschaft und Stillzeit. 2021 wurden also mehr Produkte erfasst als im Marktcheck 2020. Außerdem wurden 2021 zusätzlich fünf Produkte im Marktcheck aufgenommen, die sich nur an Stillende richteten. Und auch neun Produkte für Männer mit Kinderwunsch wurden erstmals miteinbezogen.
Nur 15 von 46 Produkten für Schwangere (einschließlich Produkte von Kinderwunsch bis Stillzeit) enthielten wie empfohlen 400 Mikrogramm Folsäure und 100 bis 150 Mikrogramm Jod. Weitere 13 Produkte für Schwangere, die 800 Mikrogramm Folsäure enthielten, erfüllten ebenfalls die Empfehlung für Jod.
Von den fünf Produkten für Stillende enthielt nur ein einziges Produkt 100 Mikrogramm Jod, wie empfohlen. Drei Produkte lieferten mehr Jod, ein Produkt enthielt gar kein Jod.
In allen Produkten für Männer mit Kinderwunsch waren Nährstoffe in Mengen enthalten, die über den empfohlenen Höchstmengen des BfR für Nahrungsergänzungsmittel lagen. Damit gingen die angebotenen Nahrungsergänzungsmittel meist am tatsächlichen Bedarf der angesprochenen Zielgruppe vorbei.
Mehr Vitamine bedeutet meist höhere Kosten
Die Vielfalt an zugesetzten Nährstoffen spiegelt sich nicht nur in den Werbeversprechen, sondern meist auch im Preis der Produkte wider. Verbraucherinnen und Verbraucher haben durch die Zusätze in der Regel keinen zusätzlichen Nutzen, im Gegenteil: meist zahlen sie für die unnötigen Extra-Vitamine drauf.
Auch im Marktcheck 2021 hat sich wieder gezeigt: Tendenziell ist der Preis für Produkte mit mehr Inhaltsstoffen höher. Bei der enormen Preisspanne pro Tagesdosis lohnt sich ein genauer Vergleich: Produkte für Kinderwunsch, Schwangerschaft und Stillzeit kosteten zwischen 0,03 Euro und 1,92 Euro pro Tagesdosis. Über die gesamte Schwangerschaft entstehen damit Kostenunterschiede von mehreren hundert Euro. Die Produkte für Stillende kosteten zwischen 0,57 Euro und 1,79 Euro pro Tagesdosis. Produkte für Männer mit Kinderwunsch kosteten zwischen 0,13 Euro und 2,00 Euro pro Tagesdosis.
Viele Menschen nehmen Nahrungsergänzungsmittel in der festen Überzeugung damit etwas Gutes für ihre Gesundheit zu tun. Aber wem helfen Nahrungsergänzungsmittel wirklich? Wie wirken sie? Und was ist von den Versprechungen zu halten, mit denen Nahrungsergänzungsmittel beworben werden?